IMI-Standpunkt 2025/051

Rückblick auf den ersten „Veteranentag“ – ein weiterer Schritt der mentalen Militarisierung

von: Jonas Uphoff | Veröffentlicht am: 2. September 2025

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Dieses Jahr wurde der sogenannte „Veteranentag“ in Deutschland am 15. Juni zum ersten Mal feierlich von Bundeswehr und anderen offiziellen staatlichen Stellen begangen. Im Rahmen der generellen Militarisierungspolitik im Zuge der „Zeitenwende“ hatte er vor allem eine ideologische und propagandistische Funktion. Die Wirkung dürfte aber hinter den Erwartungen von Politik und Militär zurückgeblieben sein.

Was war das Ziel?

Bereits im April 2024 wurde der Veteranentag nach einem gemeinsamen Antrag von SPD, Union, den Grünen und der FDP ins Leben gerufen.[1] Als erklärte Absicht wurde gesagt, man wolle „einen angemessenen Rahmen für die Anerkennung und den Dank für ihre besonderen Leistungen sowie einen Ort des Austausches zwischen ihnen, ihren Angehörigen, Bundeswehr, Gesellschaft und Politik schaffen. […] Damit werden die Bindungen zwischen Bundeswehr und Gesellschaft gestärkt.“[2] Hiermit entsprachen die Bundestagsfraktionen dem, was bereits in den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 2023 gefordert wurde. Dieses Grundlagenpapier zur Militärpolitik auf der Höhe der „Zeitenwende“ dreht sich unter anderem um die herausfordernden Fragen, wie die „Kriegstüchtigkeit“ für Bundeswehr und Gesellschaft erreicht wird, was einerseits ein starkes personelles Wachstum der Militärapparate, andererseits eine breite Akzeptanz und Unterstützung seitens der Gesellschaft für die Kriegspolitik beinhaltet. Und hier kommen auch die Veteranen ins Spiel: „Die Bundeswehr, einschließlich der Reserve, gehört in die Mitte der Gesellschaft. Sie muss dort erlebbar sein, wo die Menschen sind. […] Eine aktive, auch von der Gesellschaft getragene Veteranen- und Gefallenenkultur ist eine stete Verpflichtung.“[3]

Dass die Anforderung der „Kriegstüchtigkeit“ sich nicht nur auf die militärischen Institutionen beschränkt, sondern ein Projekt ist, welches sich die gesamte Gesellschaft und Bevölkerung zu eigen machen soll, zeigen auf der materiellen Ebene die Pläne, zivile Bereiche wie beispielsweise Gesundheitsversorgung und Bildung immer weiter zu militarisieren. Doch auch auf der ideologischen, oder mentalen Ebene soll dieser Zustand hergestellt werden.[4] Treffend bemerkt Bundeswehr-Oberst Harald Lamatsch: „Kriegstüchtig werde ich nur innerhalb einer Gesellschaft, die mir das notwendige Rüstzeug und die Unterstützung gibt, um in der von Tod und Gewalt geprägten Auseinandersetzung zu gewinnen.“[5] Ein weiteres Indiz für die gewünschte Breite der Mobilisierung ist der Veteranenbegriff, mit dem Bundeswehr und Regierung arbeiten. „Veteranin oder Veteran ist, wer als Soldatin oder Soldat der Bundeswehr im aktiven Dienst steht oder aus dem Dienstverhältnis ehrenhaft ausgeschieden ist. Das sind in Deutschland seit Gründung der Bundeswehr rund 10 Millionen Frauen und Männer.“[6] Diese Definition wirkt recht bemüht, was daran liegen könnte, dass der Begriff „Veteran“ in der deutschen Gesellschaft bislang wenig alltägliche Verwendung, oder symbolisch-kulturelle Aufladung erfährt. Anders beispielsweise als in den USA, in denen es eine aktive Veteranenkultur gibt. Natürlich lässt sich kritisieren, dass diese vor allem dazu dient, die oft prekären sozialen Lebensverhältnisse von Menschen aus dem aktiven Kriegseinsatz, die häufig dauerhaften Schaden an Leib und Leben davontragen, mit einem Quantum gesellschaftlicher Anerkennung abzuspeisen und den Militarismus in der US-amerikanischen Gesellschaft zu fördern. Fakt ist jedoch, dass die „Veterans“ eine relevante Bevölkerungsschicht darstellen, um deren Gunst US-Politiker*innen regelmäßig werben. Der nationale Veteranentag drückte das erklärte Ziel aus, eine solche Kultur nun auch in der deutschen Gesellschaft zu verankern.

Bürgernahe Veranstaltungen

    So fanden am Sonntag, den 15. Juni in der ganzen Bundesrepublik über 118 öffentliche Veranstaltungen statt. Die meisten davon gestalteten sich eher klein, hatten den Charakter von Bratwurstständen vor Kleinstadt-Rathäusern, oder von vom örtlichen Reservistenverband organisierten Fahrradtouren. Reservist*innen spielten bei der Organisation eine tragende Rolle. Zuvor hatte die Bundeswehr ehemalige Angehörige dazu aufgerufen, auf eigene Initiative Veranstaltungen zu organisieren und anzumelden. Neben Soldat*innen im aktiven Dienst machten Reservist*innen und ihre Familienangehörigen den Großteil der Veranstalter*innen sowie des Publikums für den Veteranentag aus. Diese spezielle Adressierung von Personen in der Reserve erklärt sich durch die erhebliche Relevanz von Reservist*innen für die Bundeswehr, sowohl was die aktuelle Arbeitsweise und zukünftige Pläne angeht. In Vechta organisierten Bundeswehr und Reservistenverband das erste „Reservistengelöbnis“, bei dem altgediente ihren Schwur auf Staat und Regierung nochmal symbolisch erneuern konnten. Zu dieser Gelegenheit bemerkte Stefan Hille, Kommandeur des Logistikbataillons 161, dass seine Einheit maßgeblich auf die Teilzeit- und Vollzeitarbeit von Reservist*innen angewiesen sei, ohne die der Transport von relevanten Gütern überhaupt nicht möglich wäre.[7] Darüber hinaus kommen ihnen im Kriegsfall bestimmte Aufgaben zu, wie die Übernahme und Koordination ziviler Bereiche, beispielsweise in Verwaltung, Krankenhauswesen und Logistik. Reservist*innen sollen auch einen Großteil der sogenannten „Heimatschutzdivisionen“ ausmachen. Diese haben die Aufgabe, im Kriegsfall militärisch die Ordnung an der „Heimatfront“, sprich im Inland, aufrechtzuerhalten. Gewaltsame Bekämpfung von Protesten oder jedweden Prozessen, die die Kriegsbemühungen erschweren, gehören dazu. Zu den personellen Aufstockungsplänen der Bundeswehr zählt daher auch die Erhöhung der Reserve auf 200.000 Personen.

    Die weitaus größten Veranstaltungen fanden in Hamburg und Berlin statt. Erstere hatte den Charakter eines klassischen Militärgelöbnisses, mit Auftritt und Rede des Verteidigungsministers, während letztere wohl den ultimativen Versuch der „Bürgernähe“ darstellte. Um das Reichstagsgebäude verteilt wurde gleich ein ganzes „Reservistendorf“ aufgebaut, nebst Bühne mit Musikprogramm und Podien. Außerdem gab es, wie bei den meisten „bürgernahen“ Events der Bundeswehr, natürlich ein Angebot, welches sich explizit an Kinder richtete.

    Tag der Würdigung – Verhallt zwischen Klüngel und Protest?

    Auch wenn die Presse mehrheitlich unkritisch bis positiv über diesen immerhin neuen symbolisch stark militaristisch aufgeladenen Tag berichtete, entfaltete er über den Sonntag, den 15.06. hinaus keine nachhaltige diskursive Wirkung. Die Werbung für Veranstaltungen hatte sich, trotz dem Wunsch die gesamte Gesellschaft zu erreichen, vor allem auf Bundeswehr-Personal und Angehörige konzentriert. Über dieses Zielpublikum kamen die meisten Veranstaltungen, bis auf größere wie die in Berlin, augenscheinlich auch nicht hinaus. Außerdem wurden sie vielerorts mit Protest bedacht: In Berlin fand eine Demonstration unter dem Titel „Wir feiern eure Kriege nicht“ statt, organisiert von einem Bündnis, was eigens gegen den Veteranentag gegründet worden war und im Vorfeld viel kritische Öffentlichkeitsarbeit geleistet hatte.[8] Zudem hatte es eine bundesweite Adbusting-Kampagne gegeben, die einige Aufmerksamkeit erregt hatte.[9] Auftritte der Bundeswehr in Vechta, Karlsruhe und Frankfurt wurden durch Protestierende gestört. Unwidersprochen und ohne Polizeischutz, beispielsweise war der Demonstration in Berlin untersagt worden, in der Nähe des Reichstags Kundgebungen abzuhalten, konnten größere Veranstaltungen nicht stattfinden. Neben einem kurzen Video, was einzelne Reden und Veranstaltungen zusammenfasst, bleibt Bundeswehr und Verteidigungsministerium daher nur ein hoffnungsfrohes: „Bis zum nächsten Jahr.“[10] Eine Einstellung, die sich sicher auch kritische und widerständige Elemente vornehmen werden.

    Anmerkungen


    [1] Vgl. Deutscher Bundestag, Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP: „Für eine umfassende Wertschätzung – Einen nationalen Veteranentag einführen und die Versorgung von Veteranen und deren Familien verbessern“. 23.04.2024

    [2] ebd.

    [3] Verteidigungspolitische Richtlinien 2023

    [4] Vgl. Rosa-Luxemburg-Stiftung: Veteranentag – Was soll das? Analyse 02.06.2025

    [5] Harald Lamatsch, Zeitschrift für innere Führung 2/24

    [6] Bundestag: Veteranentag mit Bürgerfest vor dem Bundestag, 15.06.2025

    [7] NDR: Erster Veteranentag – Reservisten bekennen sich zur Bundeswehr. 16.06.2025

    [8] https://noveteranentag.noblogs.org/

    [9] Lilly Schröder: Danke für euren Einsatz, Antifa Werkstatt. 15.06.2025

    [10] https://www.veteranentag.gov.de/